Unsere beiden Freundinnen treffen sich wieder.
Nena ist gespannt. „Selina, du hast da was Neues am Laufen, wie geht es mit Marco?“
„Es lässt sich recht gut an, aber ich bin diesmal etwas vorsichtiger.“
„Das ist ja was Neues bei dir – du bist doch sonst immer so mega-verliebt!“
Selina zögert:“ Hast schon recht, aber ich habe früher die Augen zugemacht und mir auch vieles schöngeredet, und das will ich nicht mehr. Meine Therapeutin meint…“
„Dachte ich‘s mir schon, wie mischt die denn mit?“
„Sie hilft mir, emotionale Fallen zu vermeiden, in die ich meist tappe. Männer mit etwas Machogehabe ziehen mich an – was mich stört, blende ich aus. Kannst du dich erinnern, wie rücksichtslos Jan war?“
„Ja, ich weiß, du hast sehr gelitten – hat schon einige Zeit gedauert, bis du drüber weg warst.“
„Die Beziehung ist momentan ein Hauptthema – es ist mir wichtig, dass ich mir sicherer werde, was ich wirklich will. Ich neige zum Beispiel dazu, dass ich offenbar glaube, dass freundliche Männer eher unmännlich sind – aber es dämmert mir, dass das ein blödes Muster ist. Marco ist wirklich sehr liebevoll und entgegenkommend – aber kein „Softie“. Jetzt arbeiten wir in der Therapie dran, warum das bei mir so ein Glaubenssatz ist“.
„Sehr spannend – Marco muss ja Schluckauf haben während deiner Stunden! Aber wie ist das jetzt mit dem Wohlfühlen in der Therapie – klingt ja nach Arbeit und nicht nach Wellnessstunde!“
Wie ist das jetzt mit dem Wohlfühlen in der Psychotherapie?
In Psychotherapie geht man, wenn man Probleme hat – am Arbeitsplatz, in der Beziehung, energetisch, stimmungsmäßig. Dann sollte man sich doch dort besser fühlen – oder?
Drum geht man ja hin!
Klar, wenn eine aktuelle starke Belastung im Vordergrund steht, dann sind stützende und entlastende Maßnahmen wichtig, genauso wie das Angebot einer weiterführenden Unterstützung und Vermittlung von Hoffnung und Zuversicht. Da sollte man sich währenddessen entspannen und wohler fühlen können.
Wenn aber Themen da sind, die eher „chronisch“ sind und immer wieder im Leben „dazwischenfunken“, dann sollte man diese erst einmal erkennen.
Die sind ja meist verdeckt, reichen meist länger zurück und wurden von der eigenen Psyche sorgfältig im „Keller des Unbewussten“ eingesperrt, wenn beispielsweise ein früheres Ereignis als hoch bedrohlich wahrgenommen wurde. Das passiert vor allem in der Kindheit. Diese Gefühle haben eine enorme Kraft und rütteln dauernd an der „Kellertür“ und sie haben auch gar keine Chance, im Rahmen der psychischen Entwicklung „mitgenommen“ zu werden und zu reifen.
Als Erwachsener mit der gereiften Psyche kann man erkennen, dass das frühere Erlebnis mit den jetzigen Fähigkeiten gut „handelbar“ und nicht mehr bedrohlich ist. Aber dazu müsste man erst die „Tür“ vorsichtig und spaltweise öffnen, was schwierig ist. Die Panik des Kindheitsgefühls ist so groß, dass ein anderer Teil der Seele uns schützen will und die „Tür“ von draußen zuhält.
Also: zwei Kräfte, die gegeneinander arbeiten – noch! Aber man kann lernen, sie zu nutzen!
Man kann sich vorstellen, dass das Wohlgefühl bei der Arbeit an diesen Themen nicht im Vordergrund steht.
Aber, wichtig! Es gibt einen geschützten Raum und eine wohlwollende, empathische Person, der man vertraut, dass sie im Bedarfsfall hält, schützt und führt. Die Barrieren unserer Seele durchlässiger zu machen kann sehr emotional sein, kann uns aber auch von unnötigen Ballast befreien. Ein weiterer Nutzen ist: je besser wir uns selber kennen, desto besser können wir leben und handeln.
Also: Betroffenheit, Nachdenklichkeit, befasst sein mit unangenehmen Themen – das alles gehört oft zu Therapie. Wichtig ist wie immer das Gefühl, gut aufgehoben zu sein und Vertrauen zu haben. Ich erlebe oft, dass die richtig heftigen Themen etwas Zeit brauchen, bevor sie auftauchen.
Ich habe einen Klienten nach einer Stunde, in der wieder viele belastende Emotionen auftauchten, gefragt, mit welchen Gefühlen er zu mir kommt. Er meinte: „Ich weiß, es ist belastend, ich bin auch immer aufgeregt, aber ich spüre, dass ich es brauche, weil ich mich von Blockaden befreien kann, die mir viel Energie nehmen“.
Wohlfühlen kommt schon – als Ergebnis dieses Prozesses und der dadurch freiwerdenden Energien!
Und wenn Sie wissen wollen, was der Energieerhaltungssatz in der Physik und die Psyche miteinander verbindet, finden Sie das in meinem nächsten Blog.